Ellen Vandyck
Forschungsleiter
Patienten mit chronischen Schmerzen fühlen sich oft im Stich gelassen, da die Schmerzbehandlung nicht immer erfolgreich ist. Sie können im Laufe der Zeit depressive Gefühle entwickeln, oder sie haben Schwierigkeiten, mit ihren Schmerzen fertig zu werden, und werden ängstlich und gestresst - alles menschliche Reaktionen, die aber wiederum kontraproduktiv sind und sie nur weiter in einen Teufelskreis treiben. Wenn Therapeut/inn/en die Rolle von Stress und depressiven Gefühlen bei chronischen Schmerzen erörtern, sollten sie sich bewusst sein, dass ihre Erklärungen von einigen Patient/inn/en als abweisend empfunden werden und möglicherweise Ärger oder Beleidigung hervorrufen könnten. Meistens fühlen sie sich unverstanden, und obwohl die Kommunikation der Therapeut/inn/en von guten Absichten ausgeht, kann es schwierig sein zu verstehen, was Schmerzen dazu bringt, chronisch zu werden, und das gilt auch für uns als Therapeut/inn/en. Daher zielt die Publikation von Fülöp et al. Die Publikation von Fülöp et al. (2025) zielt darauf ab, unser Wissen über den Zusammenhang zwischen Stress und Schmerz zu erweitern und darüber, wie psychosozialer Stress chronische Schmerzen auslösen kann.
Dieser Artikel ist als "Kurzübersicht" verfasst, die die aktuelle Literatur zusammenfasst. Es ist wichtig zu wissen, dass es sich nicht um eine systematische Überprüfung handelt. Stattdessen fassten die Autoren bestehende Forschungsarbeiten zusammen, um ihre Forschungsperspektive auf die Wechselwirkungen zwischen chronischen Schmerzen, Stress und komorbiden Stimmungsstörungen vorzustellen. Die Übersichtsarbeit konzentriert sich auf Fibromyalgie als Teil des chronischen primären Schmerzes, der von der International Association for the Study of Schmerzen definiert wird(Nicholas et al. 2019).
Die Daten wurden gewonnen aus einer Literaturübersicht von:
Mit einem spezifischen Fokus auf Fibromyalgie kategorisierten und präsentierten die Autoren die Ergebnisse in Bezug auf:
Ziel war es, einen umfassenden Überblick über die aktuellen Erkenntnisse auf diesem Gebiet zu geben, um den Bedarf an neuartigen therapeutischen Ansätzen zu verdeutlichen und den Zusammenhang zwischen Stress und Schmerzen zu untersuchen.
Die Überprüfung ergab Evidenz für ein komplexes Zusammenspiel zwischen chronischem psychosozialem Stress, Neuroinflammation, Veränderungen der Neuroplastizität und chronischen primären Schmerzen, insbesondere bei Fibromyalgie.
Chronische psychosoziale Belastung als ätiologischer und verschlimmernder Faktor für chronische primäre Schmerzen
Klinische Daten ergaben in einer Längsschnittstudie positive Korrelationen zwischen dem Stress-Basisniveau und der Intensität der Schmerzen bei Fibromyalgie und anderen chronischen, weit verbreiteten Zuständen. Sowohl Stress als auch Schmerzkatastrophisierung zeigten starke positive Korrelationen mit der Schwere der Schmerzen und dem gleichzeitigen Auftreten mehrerer schmerzhafter Erkrankungen. Psychosoziale Stressoren beeinflussen die Pathogenese von Schmerzen im unteren Rücken, wobei das entzündliche Zytokin IL-6, Noradrenalin und die Herzfrequenz in Ruhe als prädiktive Werte vorgeschlagen werden. Die Auswirkungen chronischer Schmerzen auf Stress, Angst und Depression werden bestätigt, und psychopathologische Profile, Stress und Mechanismen zur Bewältigung stehen in Zusammenhang mit Fibromyalgiesymptomen und der Senkung der Schmerzschwelle. Der Trier Social Stress Test (eine akute psychosoziale Stress-Aufgabe) verringerte die thermo- und mechanonozizeptiven Schwellenwerte, was bei Fibromyalgie-Patienten zu Hyperalgesie (erhöhte Sensitiviät) und Allodynie (Schmerzen durch nicht-schmerzhafte Reize) führte.
Stimmungsstörungen sind häufige Komorbiditäten
Klinische Daten deuten darauf hin, dass bei Fibromyalgiepatienten im Vergleich zur gesunden Bevölkerung ein höherer Prozentsatz an Stimmungsstörungen (Depressionen und Ängsten) vorliegt. Depressionen als Komorbidität stehen im Verdacht, die Ergebnisse der Behandlung von Fibromyalgie-Patienten zu verschlechtern. SCHMERZEN und KATASTROPHIE bei Frauen waren mit einem höheren Niveau an Depressionen und Ängsten verbunden. Persönlichkeitsmerkmale wie Neurotizismus, Gewissenhaftigkeit und Extraversion werden mit Fibromyalgie-Symptomen wie Schmerzen, Depressionen, Angst und Stress in Verbindung gebracht.
Neuroinflammation und Veränderungen der Neuroplastizität als gemeinsame Mechanismen chronischer primärer Schmerzen
Klinische Studien zeigten eine erhöhte AKTIVIERUNG der Glia (Mikroglia und Astrozyten) im Gehirn von Fibromyalgie-Patienten, die mit Ermüdung und Schmerzen korrelierte. Präklinische Studien haben bestätigt, dass chronischer Stress eine Aktivierung von Mikroglia und Astrozyten auslöst und dass verschiedene entzündliche Parameter in Tiermodellen von FM erhöht sind. Entzündliche Zytokine (wie IL-6, IL-2, IL-1, TNFα) und Neuropeptide (Substanz P, Hemokinin-1) werden sowohl im klinischen als auch im präklinischen Bereich untersucht, wobei einige positive Korrelationen mit der Intensität von Schmerzen und psychischen Problemen aufweisen.
Es werden Veränderungen in Gehirnnetzwerken und synaptischen Verbindungen beobachtet. Bei Fibromyalgie-Patienten ist die funktionelle Konnektivität innerhalb der Salienz- und Standardmodus-Netzwerke erhöht und korreliert mit der Intensität der Schmerzen und der Katastrophisierung. Tiermodelle zeigen auch eine verschlechterte Konnektivität des Salienznetzwerks und eine veränderte Aktivierung des Standardmodusnetzwerks als Reaktion auf chronischen Stress.
Potenzielle therapeutische Ziele: Die Überprüfung deutet auf mehrere Bereiche für die künftige Entwicklung von Medikamenten hin, darunter:
Im Wesentlichen kommt das Papier zu dem Schluss, dass Stress, Schmerzen und Stimmungsstörungen einen Teufelskreis bilden, in dem gemeinsame Gehirnstrukturen, Mechanismen und Vermittler eine Rolle spielen, wobei Neuroinflammation und Neuroplastizität die Hauptakteure im Zusammenhang mit Stress und Schmerzen sind.
Diese Übersicht bietet einen wertvollen Überblick, aber als Physiotherapeut/in kommen einem einige Fragen und kritische Gedanken zum Zusammenhang zwischen Stress und Schmerzen in den Sinn.
In dem Papier wird nachdrücklich festgestellt, dass "Chronischer psychosozialer Stress ist bekanntermaßen die einzige ätiologischer und/oder verschlimmernder Faktor" für chronische primäre Schmerzen". Obwohl positive Korrelationen zwischen Stress und Schmerzen gefunden wurden und stressinduzierte Aufgaben die Schmerzschwelle senken, sind die hier vorgestellten klinischen Daten weitgehend Korrelationen. Es wäre genauer zu sagen, dass es sich um eine wichtiger beitragender Faktor ist. Das Wort "nur" könnte eine Übertreibung sein, wenn nicht alle anderen potenziell beitragenden Faktoren systematisch überprüft und nachgewiesen werden, dass sie keine ätiologische Rolle spielen. Diese Art von definitiver Aussage in einer Übersichtsarbeit sollte idealerweise durch eine umfassende Literaturrecherche und eine kritische Bewertung der gesamten einschlägigen Literatur gestützt werden, nicht nur der Studien, die diese spezielle Sichtweise auf den Zusammenhang zwischen Stress und Schmerzen unterstützen.
Tiermodelle zeigen zwar stressbedingte Schmerzen, was den kausalen Zusammenhang verstärkt, aber wie gut lässt sich dies auf die komplexe menschliche Erfahrung übertragen, bei der oft mehrere Faktoren zusammenkommen? Stress ist eine multifaktorielle und multidimensionale Erfahrung, die bei Menschen und Tieren, ja sogar bei Menschen, nicht unbedingt ähnlich ist.
In der Übersicht werden verschiedene chronische Stressoren in Tiermodellen erwähnt (Schwimmen, Kälte, Geräusche, Fesselung). Sind alle Arten von Stress für chronische Schmerzen, insbesondere für die Fibromyalgie, gleichermaßen relevant oder von Bedeutung, obwohl sie Hyperalgesie auslösen? Das Papier stellt fest, dass "chronischer variabler leichter Stress ... nicht geeignet ist, um stressbedingte Mechanismen von Schmerzen zu untersuchen", was eine wichtige Nuance ist. Welche spezifischen Aspekte des psychosozialen Stresses sind beim Menschen am wichtigsten? Ist es die Art des Stresses, seine Daueroder die Bewältigungskapazität des Einzelnen die am meisten zählt?
Die Autoren räumen ein, dass "keine Tiermodelle geeignet sind, alle Aspekte der komplexen Symptomatik menschlicher Krankheiten zu reflektieren". Dies ist ein entscheidender Punkt. Während Tiermodelle Einblicke in zelluläre und molekulare Prozesse gewähren, sind das subjektive Erleben von chronischen Schmerzen, Schmerzkatastrophen und die Auswirkungen auf die täglichen Funktionen beim Menschen schwer zu reproduzieren. Wie können Erkenntnisse aus Tiermodellen, insbesondere hinsichtlich spezifischer molekularer Ziele, bei komplexen Zuständen wie FM am effektivsten in die klinische Praxis umgesetzt werden? Dies unterstreicht die Herausforderungen beim Verständnis der Verbindung zwischen Stress und Schmerzen bei verschiedenen Spezies.
In dem Papier wird erwähnt, dass Psychotherapie wirksam sein kann "langfristig nach Monaten, aber diese Behandlungen beginnen in der Regel zusammen mit Medikamenten in den früheren Stadien; dies deutet auf ein komplexes Behandlungsparadigma hin: die Ausrichtung auf die psychosoziale Komponente dieser Krankheiten." Während sich die Arbeit auf molekulare Mechanismen konzentriert, könnte diese Formulierung die bedeutenden und oft unmittelbaren Auswirkungen psychosozialer Interventionen auf die Bewältigung, die Wahrnehmung von Schmerzen und die Lebensqualität herunterspielen. Bezieht sich die Aussage "geringe Wirkung" nur auf die Verringerung der Schmerzen oder werden auch weitergehende patientenorientierte Ergebnisse berücksichtigt?
Auch wenn diese Veröffentlichung mehrere Fragen beantwortet, müssen wir einräumen, dass es sich keine systematische Übersicht und dass sie möglicherweise voreingenommen ist. Zum Beispiel wurde psychosoziale Belastung von den Forschern als der "einziger ätiologischer und/oder verschlimmernder Faktor für chronische primäre Schmerzen im Zustand" wie Fibromyalgie. Sie betonen die Bedeutung des Zusammenhangs zwischen Stress und Schmerzen und verweisen auf 3 Artikel, um diese Aussage zu untermauern. Die psychosoziale Belastung spielt zwar eine wichtige Rolle bei chronischen Schmerzen, keine der drei referenzierten Studien Anzeichen für psychosozialen Stress als einzigen Faktor, der zu den erlebten Schmerzen beiträgt.
Es gibt also keine Anzeichen dafür, dass die psychosoziale Belastung der einzige Faktor ist, auch wenn dies in der aktuellen Studie behauptet wird. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Autoren die Rolle der psychosozialen Belastung zu stark vereinfacht haben, um ihre eigenen Forschungsergebnisse und Hypothesen zu untermauern, was als Framing bezeichnet wird.
Da es sich bei diesem Artikel um eine kurze Übersichtsarbeit handeln sollte, ist er auf die Qualität und Belastbarkeit der zusammengefassten Primärforschung angewiesen. Sie müssen sich jedoch darüber im Klaren sein, dass keine systematische Literaturrecherche durchgeführt wurde. Die Studie selbst enthält auch keine neuen Daten. Daher sind die Schlussfolgerungen so stark wie die Evidenz, auf die sie sich stützt, aber die nicht systematische Art und Weise, wie die Autoren nach Literatur gesucht haben, erhöht das Risiko von Verzerrungen. Die Autoren haben zwar ein breites Spektrum an Studien zitiert, aber einzelne Studieneinschränkungen (z. B. Stichprobengröße, gewählte spezifische Tiermodelle, Methodik der Stressinduktion, Ergebnisse) beeinflussen die Gesamtschlussfolgerungen, und da keine Bewertung der Evidenz vorgenommen wurde, bleibt die Sicherheit der synthetisierten Evidenz fraglich und gering.
Chronische psychosoziale Belastungen sind nicht nur ein sekundäres Problem, sondern ein grundlegender Faktor für die Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer primärer Schmerzen. Erforschen und erkennen Sie immer die Rolle von Stress, Angst und Depression bei den Schmerzen Ihrer Patienten an. Ihre Beurteilung sollte über rein körperliche Faktoren hinausgehen. Beziehen Sie Fragen zum Stressniveau, zu Bewältigungsmechanismen, zur Stimmung und zur sozialen Unterstützung mit ein. So erhalten Sie ein vollständigeres Bild des Zustands des Patienten und des Zusammenhangs zwischen Stress und Schmerzen.
Informieren Sie Ihre Patienten über die Verbindung zwischen Gehirn und Körper und darüber, wie Stress Schmerzen durch Mechanismen wie Neuroinflammation und Veränderungen in der Gehirnverdrahtung (Neuroplastizität) beeinflussen kann. Auf diese Weise können sie ihre Schmerzen besser verstehen und Strategien zur Selbstbehandlung entwickeln.
Während sich der Bericht auf molekulare Ziele konzentriert, sollte man auch den Wert psychosozialer Interventionen nicht vergessen. Techniken wie Achtsamkeit, Entspannungsübungen und kognitive VERHALTENsansätze (die in die Physiotherapie integriert werden können) können die psychosoziale Belastung, die zu Schmerzen beiträgt, direkt angehen. Bewegung ist ein Eckpfeiler der Physiotherapie bei chronischen Schmerzen. Auch wenn die Mechanismen in diesem Bericht nicht näher erläutert werden, ist bekannt, dass Bewegung entzündungshemmend wirkt und die Neuroplastizität beeinflussen kann. Ermutigen Sie zu regelmäßiger, abgestufter körperlicher Betätigung und erläutern Sie die potenziellen Vorteile, die sich aus der Verringerung der negativen Auswirkungen von Stress ergeben.
Ein multidisziplinärer Ansatz ist oft notwendig, um alle Facetten des Zustands des Patienten effektiv anzugehen, insbesondere wenn es um den Zusammenhang zwischen Stress und Schmerzen geht. Erkennen Sie, dass jeder Patient seine eigenen Erfahrungen mit chronischen Schmerzen und psychosozialen Problemen macht. Passen Sie Ihre Interventionen an die spezifischen Bedürfnisse, Stressoren und Fähigkeiten des Einzelnen an.
Beobachten Sie dies KOSTENLOSER Videovortrag über Ernährung und zentrale Sensibilisierung durch Europas führender Forscher auf dem Gebiet der chronischen Schmerzen Jo Nijs. Welche Lebensmittel Patienten vermeiden sollten, wird Sie wahrscheinlich überraschen!